XX
Der August war warm und klar, und auch im September das Wetter noch fast sommerlich; — aber dann fing es Ende September an zu regnen, die Wolken hingen tagelang tief über der Stadt, die Dächer trieften, es begann zu stürmen, und als ich an einem Sonntag früh erwachte und ans Fenster trat, sah ich in den Bäumen auf dem Friedhof schwefelgelbe Flecken und die ersten kahlen Äste.
Ich blieb eine Zeitlang am Fenster stehen. Es war sonderbar gewesen in diesen Monaten, seit wir von der See zurückgekommen waren — ich hatte immer, in jeder Stunde, gewußt, daß Pat im Herbst fortmußte, aber ich hatte es gewußt, so wie man vieles weiß: — daß die Jahre vergehen, daß man älter wird und daß man nicht ewig leben kann. Die Gegenwart war stärker gewesen, sie hatte alle Gedanken stets wieder beiseite gedrängt, und solange Pat da war und die Bäume noch voll im grünen Laub gestanden hatten, waren Worte wie Herbst und Fortgehen und Abschied nie mehr gewesen als blasse Schatten am Horizont, die das Glück der Nähe und des Nochbeieinanderseins nur um so stärker empfinden ließen.
Ich sah hinaus auf den nassen, verregneten Friedhof und auf die Grabsteine, die von schmutzigem braunem Laub bedeckt waren. Wie ein bleiches Tier hatte der Nebel über Nacht den grünen Saft aus den Blättern der Bäume gesogen, matt und kraftlos hingen sie an den Zweigen, jeder Windstoß, der hindurchfuhr, riß neue ab und trieb sie vor sich her — und wie einen scharfen, schneidenden Schmerz spürte ich plötzlich, zum erstenmal, daß die Trennung bald da war, daß sie Wirklichkeit wurde, ebenso Wirklichkeit wie der Herbst, der durch die Wipfel draußen geschlichen war und seine gelben Spuren hinterlassen hatte.
Ich horchte zum Zimmer nebenan hinüber. Pat schlief noch. Ich ging zur Tür und blieb dort eine Weile stehen. Sie schlief ruhig und hustete nicht. Einen Augenblick packte mich eine jähe Hoffnung — ich stellte mir vor, daß Jaffé heute oder morgen oder in den nächsten Tagen anrufen würde, um mir zu sagen, sie brauche nicht fort — aber dann dachte ich an die Nächte, in denen ich das leise Rascheln ihres Atems gehört hatte, dieses regelmäßige, gedämpfte Scharren, das kam und ging wie das Geräusch einer sehr fernen, dünnen Säge — und die Hoffnung erlosch ebenso rasch, wie sie aufgeflackert war.
Ich ging zum Fenster zurück und starrte wieder hinaus in den Regen. Dann setzte ich mich an den Schreibtisch und begann mein Geld zu zählen. Ich rechnete mir aus, wie lange es für Pat reichen könnte, aber mir wurde elend dabei, und ich schloß es wieder weg.
Ich sah nach der Uhr. Es war kurz vor sieben. Ich hatte noch mindestens zwei Stunden Zeit, ehe Pat aufwachte. Rasch zog ich mich an, um noch etwas hinauszufahren. Es war besser, als mit seinen Gedanken allein im Zimmer zu bleiben.
Ich ging zur Werkstatt, holte die Droschke und fuhr langsam durch die Straßen. Es waren wenig Leute unterwegs. In den Arbeitergegenden standen die langen Reihen der Mietskasernen kahl und öde da wie alte, traurige Huren im Regen. Die Fassaden waren abgebröckelt und verschmutzt, die trüben Fenster blinzelten freudlos in den Morgen, und der zerblätternde Putz der Mauern zeigte an vielen Stellen tiefe gelbgraue Löcher, als wäre er von Geschwüren zerfressen.
Ich durchquerte die Altstadt und fuhr zum Dom. Vor dem kleinen Eingang ließ ich den Wagen stehen und stieg aus. Durch die schwere Eichentür hörte ich halblaut die Klänge der Orgel. Es war gerade die Zeit der Morgenmesse, und ich hörte an der Orgel, daß die Opferung soeben begonnen hatte — es mußte also noch mindestens zwanzig Minuten dauern, bevor die Messe beendet war und die Leute herauskamen.
Ich ging in den Kreuzgarten. Er lag in grauem Licht. Die Rosenbüsche trieften im Regen, aber die meisten hatten noch Blüten. Mein Regenmantel war ziemlich weit, und ich konnte die Zweige, die ich abschnitt, gut darunter verstecken. Obschon es Sonntag war, kam niemand vorüber, und ich brachte den ersten Armvoll Rosen ungehindert zum Wagen. Dann ging ich zurück, um noch einen zweiten zu holen. Als ich ihn gerade unter meinem Mantel hatte, hörte ich jemand durch den Kreuzweg kommen. Ich klemmte den Strauß mit dem Arm fest und blieb vor einer der Rosenkranzstationen stehen, als ob ich betete.
Die Schritte kamen näher, aber sie gingen nicht vorbei, sondern hielten an. Mir wurde etwas schwül. Ich blickte sehr vertieft auf das Steinbild, schlug ein Kreuz und ging langsam weiter zur nächsten Station, die etwas entfernter vom Kreuzgang war. Die Schritte folgten mir und hielten wieder an. Ich wußte nicht, was ich machen sollte. Weitergehen konnte ich jetzt nicht gleich, ich mußte mindestens so lange ausharren, wie es dauerte, um zehn Ave Maria und ein Vaterunser zu beten; — sonst hätte ich mich sofort verraten. Ich blieb also stehen und blickte, um festzustellen, was los war, vorsichtig, mit abweisendem Gesicht auf, als würde ich in der Andacht gestört.
Ich sah in das freundliche, runde Gesicht eines Pastors und atmete auf. Ich hielt mich schon für gerettet, weil ich wußte, daß er mich beim Beten nicht unterbrechen würde — da bemerkte ich, daß ich unglücklicherweise die letzte Station des Rosenkranzes erwischt hatte. Selbst wenn ich noch so langsam betete, mußte ich in ein paar Minuten fertig sein, und das war es auch, worauf er anscheinend wartete. Es hatte keinen Zweck, die Sache weiter hinzuziehen. Ich ging also langsam und unbeteiligt dem Ausgang zu.
»Guten Morgen«, sagte der Pfarrer. »Gelobt sei Jesus Christus!«
»In Ewigkeit, Amen!« erwiderte ich. Es war der kirchliche Gruß der Katholiken.
»Es ist selten, daß jemand um diese Zeit schon hier ist«, sagte er freundlich und sah mich aus hellen blauen Kinderaugen an.
Ich murmelte irgend etwas.
»Leider ist es selten geworden«, fuhr er etwas bekümmert fort. »Besonders Männer sieht man kaum noch den Kreuzweg beten. Ich freue mich deshalb über Sie und habe Sie darum auch angesprochen. Sie haben sicher eine besondere Bitte, daß Sie so früh und bei diesem Wetter gekommen sind...«
Ja, daß du weitergehst, dachte ich und nickte erleichtert. Bis jetzt hatte er anscheinend nichts von den Blumen gemerkt. Jetzt galt es nur, ihn rasch loszuwerden, damit er nicht noch aufmerksam wurde.
Er lächelte mich wieder an. »Ich bin im Begriff, meine Messe zu lesen. Da werde ich Ihre Bitte in mein Gebet mit einschließen.«
»Danke«, sagte ich überrascht und verlegen.
»Ist es für das Seelenheil eines Verstorbenen?« fragte er.
Ich starrte ihn einen Augenblick an, und meine Blumen begannen zu rutschen. »Nein«, sagte ich dann rasch und preßte den Arm fest gegen den Mantel.
Er blickte mir mit seinen klaren Augen arglos forschend ins Gesicht. Wahrscheinlich wartete er darauf, daß ich ihm sagen würde, um was es sich handle. Aber mir fiel nichts Rechtes im Moment ein, und ich hatte auch etwas dagegen, ihn mehr zu belügen, als nötig war. Deshalb schwieg ich.
»Ich werde also um Hilfe in der Not für einen Unbekannten beten«, sagte er schließlich.
»Ja«, erwiderte ich, »wenn Sie das tun wollen. Ich danke Ihnen auch sehr.«
Er wehrte lächelnd ab. »Sie brauchen mir nicht zu danken. Wir stehen alle in Gottes Hand.« Er sah mich noch einen Augenblick an, den Kopf ein wenig schräg vorgeneigt, und mir schien, als husche irgend etwas über seine Züge. »Vertrauen Sie nur«, sagte er. »Der himmlische Vater hilft. Er hilft immer, auch wenn wir es manchmal nicht verstehen.« Dann nickte er mir zu und ging.
Ich blickte ihm nach, bis ich die Tür hinter ihm zuklappen hörte. Ja, dachte ich, wenn es so einfach wäre! Er hilft, er hilft immer! Aber hat er Bernhard Wiese geholfen, als er mit einem Bauchschuß schreiend im Houtholster Wald lag, hat er Katczinky geholfen, der in Handzaeme fiel und eine kranke Frau zurückließ und ein Kind, das er noch nicht gesehen hatte, hat er Müller geholfen und Leer und Kemmerich, hat er dem kleinen Friedmann geholfen und Jürgens und Berger und Millionen anderen? Verdammt, es war etwas zuviel Blut geflossen in der Welt für diese Art von Glauben an den himmlischen Vater!
Ich brachte die Blumen nach Hause, dann fuhr ich den Wagen zur Werkstatt und ging zurück. Aus der Küche kam jetzt der Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee, und ich hörte Frida herumrumoren. Es war merkwürdig, aber der Kaffeegeruch stimmte mich heiterer. Ich kannte das vom Kriege her — es waren nie die großen Dinge, die einen trösteten —; es waren immer die belanglosen, kleinen.
Ich hatte kaum die Korridortür abgeschlossen, da schoß Hasse aus seinem Zimmer hervor. Sein Gesicht war gelb und gedunsen, die Augen überwach und rot, und er sah aus, als hätte er in seinem Anzug geschlafen. Als er mich erblickte, ging eine maßlose Enttäuschung über seine Züge.
»Ach so, Sie sind es«, murmelte er.
Ich sah ihn erstaunt an. »Haben Sie so früh schon jemand erwartet?«
»Ja«, sagte er leise, »meine Frau. Sie ist noch nicht nach Hause gekommen. Haben Sie sie nicht gesehen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich war nur eine Stunde fort.«
Er nickte. »Ich dachte nur — es hätte doch sein können, daß Sie sie gesehen hätten.«
Ich zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich kommt sie später. Haben Sie nicht telefoniert?«
Er sah mich etwas scheu an. »Sie ist gestern abend zu ihren Bekannten gegangen. Ich weiß nicht, wo sie genau wohnen.«
»Wissen Sie denn den Namen? Dann kann man doch bei der Auskunft anfragen.«
»Das habe ich schon versucht. Die Auskunft kennt den Namen nicht.«
Er hatte einen Blick wie ein verprügelter Hund. »Sie war immer so geheimnisvoll mit den Leuten, und wenn ich einmal fragte, dann wurde sie sofort ärgerlich. Da habe ich's gelassen. Ich war froh, daß sie etwas Anschluß hatte. Sie sagte immer, ich gönnte ihr anscheinend auch den nicht.«
»Vielleicht kommt sie noch«, sagte ich. »Ich bin sogar sicher, daß sie bald kommt. Haben Sie zur Vorsicht mal die Unfallstationen und die Polizei angerufen?«
Er nickte. »Alles. Dort war nichts bekannt.«
»Na also«, sagte ich, »dann brauchen Sie sich noch gar nicht aufzuregen. Vielleicht ist ihr abends nicht ganz wohl gewesen, und sie ist über Nacht geblieben. So was kommt ja oft mal vor. Wahrscheinlich ist sie in ein, zwei Stunden wieder da.«
»Meinen Sie?«
Die Küchentür öffnete sich und Frida erschien mit einem Tablett.
»Für wen ist denn das?« fragte ich.
»Für Fräulein Hollmann«, erwiderte sie, leicht gereizt durch meinen Anblick.
»Ist sie denn schon auf?«
»Das muß sie doch«, erklärte Frida schlagfertig, »sonst hätte sie doch nicht nach Frühstück geklingelt.«
»Gott segne Sie, Frida«, erwiderte ich. »Morgens sind Sie manchmal direkt ein Labsal. Könnten Sie sich überwinden, auch meinen Kaffee gleich zu machen?«
Sie knurrte etwas und schritt den Gang hinauf, wobei sie verächtlich den Hintern schwenkte. Sie konnte das. Sie war das einzige Wesen, bei dem ich so was je so ausdrucksvoll gesehen hatte.
Hasse hatte gewartet. Ich schämte mich plötzlich, als ich mich umwandte und ihn so ergeben und still wieder neben mir sah. »In ein, zwei Stunden sind Sie sicher Ihre Sorge los«, sagte ich und hielt ihm die Hand hin.
Er nahm sie nicht, sondern blickte mich sonderbar an. »Könnten wir sie nicht suchen?« fragte er leise.
»Aber Sie wissen doch nicht, wo sie ist.«
»Man könnte sie vielleicht doch suchen«, wiederholte er. »Wenn wir Ihren Wagen nähmen — ich will selbstverständlich alles bezahlen«, fuhr er schnell fort.
»Darum handelt es sich nicht«, erwiderte ich. »Es ist nur ganz aussichtslos. Wohin sollten wir denn fahren? Sie wird auch um diese Zeit nicht auf der Straße sein.«
»Ich weiß es nicht«, sagte er, immer noch ebenso leise. »Ich meine nur, daß man sie suchen könnte.«
Frida kam mit ihrem leeren Tablett zurück. »Ich muß jetzt fort«, sagte ich, »und ich glaube, Sie machen sich unnötig Sorgen. Trotzdem würde ich Ihnen gern den Gefallen tun, aber Fräulein Hollmann muß bald verreisen, und ich möchte gern heute noch mit ihr zusammen sein. Es ist vielleicht ihr letzter Sonntag hier. Das verstehen Sie doch sicher?«
Er nickte.
Er tat mir leid, wie er so dastand, aber ich war ungeduldig, zu Pat zu kommen. »Wenn Sie trotzdem gleich losfahren wollen, können Sie ja ein Taxi unten nehmen«, fuhr ich fort, »aber ich rate Ihnen nicht dazu. Warten Sie lieber noch etwas — dann kann ich meinen Freund Lenz anrufen, und er wird mit Ihnen suchen.«
Ich hatte das Gefühl, daß er gar nicht zuhörte. »Sie haben sie heute morgen nicht gesehen?« fragte er dann plötzlich.
»Nein«, erwiderte ich verwundert. »Sonst hätte ich es Ihnen ja längst gesagt.«
Er nickte wieder und ging dann abwesend, ohne ein Wort in sein Zimmer zurück.
Pat war schon bei mir gewesen und hatte die Rosen gefunden. Sie lachte, als ich hereinkam. »Robby«, sagte sie, »ich bin doch ziemlich harmlos. Erst Frida hat mich aufgeklärt, daß frische Rosen sonntags früh um diese Zeit zweifellos etwas mit Diebstahl zu tun haben müßten. Sie hat mir auch erklärt, daß diese Sorte in den umliegenden Blumengeschäften nicht zu kaufen ist.«
»Glaub, was du willst«, erwiderte ich. »Die Hauptsache ist, daß sie dir Freude machen.«
»Jetzt noch mehr als sonst, Liebling. Du hast sie doch unter Gefahren erbeutet!«
»Na, und unter was für Gefahren!« Ich dachte an den Pastor. »Aber wieso bist du so früh schon auf?«
»Ich konnte nicht mehr schlafen. Und dann habe ich auch geträumt. Nichts Schönes.«
Ich blickte sie aufmerksam an. Sie sah müde aus und hatte Schatten unter den Augen. »Seit wann träumst du so was?« sagte ich. »Ich dachte, das wäre bisher meine Spezialität.«
Sie schüttelte den Kopf. »Hast du gesehen, daß es Herbst wird draußen?«
»Bei uns nennt man das Spätsommer«, erwiderte ich. »Die Rosen blühen ja noch. Es regnet, das ist alles, was ich sehe.«
»Es regnet«, wiederholte sie. »Es regnet schon viel zu lange, Liebling. Manchmal nachts, wenn ich aufwache, glaube ich, daß ich ganz begraben bin unter dem vielen Regen.«
»Du mußt nachts zu mir kommen«, sagte ich. »Dann hast du solche Gedanken nicht mehr. Im Gegenteil, es ist schön, beieinander zu sein, wenn es dunkel ist und wenn es draußen regnet.«
»Vielleicht«, erwiderte sie und lehnte sich an mich.
»Ich habe es ganz gern, wenn es sonntags regnet«, sagte ich. »Man merkt dann besser, wie gut man es hat. Wir sind zusammen, wir haben ein warmes, schönes Zimmer und einen freien Tag vor uns — ich finde, das ist eine ganze Menge.«
Ihr Gesicht hellte sich auf. »Ja, wir haben es gut, nicht wahr?«
»Ich finde, daß wir es wunderbar haben. Wenn ich an früher denke — mein Gott! Ich hätte nie gedacht, daß ich es noch einmal so gut haben würde.«
»Es ist schön, wenn du das sagst. Ich glaube es dann sofort. Du mußt es öfter sagen.«
»Sage ich es nicht oft genug?«
»Nein.«
»Kann sein«, sagte ich. »Ich glaube, ich bin nicht sehr zärtlich. Ich weiß nicht warum, aber ich kann es einfach nicht sein. Dabei wäre ich es sehr gern.«
»Du brauchst es nicht, Liebling, ich verstehe dich auch so. Nur manchmal, da möchte man es trotzdem auch gern hören.«
»Ich werde es dir von jetzt an jedesmal sagen. Auch wenn ich mir albern dabei vorkomme.«
»Ach, albern«, erwiderte sie. »In der Liebe gibt es keine Albernheit.«
»Gottlob nicht«, sagte ich. »Es wäre sonst furchtbar, was aus einem würde.«
Wir frühstückten zusammen, dann legte Pat sich wieder zu Bett. Jaffé hatte das so angeordnet. »Bleibst du hier?« fragte sie unter ihrer Decke hervor.
»Wenn du willst«, sagte ich.
»Ich möchte schon, aber du brauchst nicht...«
Ich setzte mich zu ihr ans Bett. »So war es nicht gemeint.
Ich erinnere mich nur, daß du es früher nicht gern hattest, wenn man dir beim Schlafen zusah.«
»Früher, ja — aber jetzt habe ich manchmal Angst, allein...«
»Das hatte ich auch mal«, sagte ich. »Im Lazarett, nach einer Operation. Ich fürchtete mich damals, nachts zu schlafen. Ich blieb immer wach und las oder dachte an irgend etwas, und erst wenn es hell wurde, schlief ich ein. Aber das vergeht wieder.«
Sie legte ihr Gesicht auf meine Hand. »Man hat Angst, daß man nicht zurückkommt, Robby...«
»Ja«, sagte ich, »aber man kommt zurück, und es geht vorbei. Du siehst es an mir. Man kommt immer zurück — wenn auch nicht gerade an dieselbe Stelle.«
»Das ist es«, erwiderte sie schon ein wenig schläfrig, mit halbgeschlossenen Augen. »Davor habe ich auch Angst. Aber du paßt auf, nicht wahr?«
»Ich passe auf«, sagte ich und strich über ihre Stirn und über ihr Haar, das auch müde zu sein schien.
Sie atmete tiefer und drehte sich etwas zur Seite. Eine Minute später war sie fest eingeschlafen.
Ich setzte mich wieder ans Fenster und sah in den Regen hinaus. Er wehte jetzt in grauen Schauern vor den Scheiben vorbei, und das Haus wirkte wie eine kleine Insel in der trüben Unendlichkeit. Ich war unruhig, denn es kam selten vor, daß Pat morgens mutlos und traurig war. Aber dann dachte ich daran, daß sie vor einigen Tagen noch lebhaft und froh gewesen war und daß vielleicht alles schon anders sein würde, wenn sie wieder erwachte. Ich wußte, daß sie viel an ihre Krankheit dachte, und ich wußte auch von Jaffé, daß es noch nicht besser geworden war — aber ich hatte in meinem Leben so viele Tote gesehen, daß jede Krankheit für mich immer noch Leben und Hoffnung war. Ich wußte, daß man an einer Verwundung sterben konnte, und darin hatte ich große Erfahrung — aber es fiel mir gerade deshalb oft schwer, zu glauben, daß auch eine Krankheit, bei der der Mensch doch äußerlich heil blieb, gefährlich sein konnte. Dadurch kam ich immer rasch über solche Anfälle von Mutlosigkeit hinweg.
Es klopfte an die Tür. Ich ging hin und öffnete. Hasse stand draußen. Ich legte den Finger an den Mund und trat auf den Korridor.
»Verzeihen Sie«, stammelte er.
»Kommen Sie zu mir herein«, sagte ich und öffnete die Tür zu meinem Zimmer.
Hasse blieb an der Schwelle stehen. Sein Gesicht schien kleiner geworden. Es war kreideweiß. »Ich wollte Ihnen nur sagen, daß wir nicht mehr zu fahren brauchen«, sagte er, fast ohne die Lippen zu bewegen.
»Kommen Sie ruhig herein«, erwiderte ich, »Fräulein Hollmann schläft, ich habe Zeit.«
Er hatte einen Brief in der Hand und sah aus wie jemand, der einen Schuß bekommen hat, aber noch glaubt, es sei nur ein Stoß gewesen.
»Am besten ist, Sie lesen es selbst«, sagte er und gab mir den Brief.
»Haben Sie schon Kaffee getrunken?« fragte ich.
Er schüttelte den Kopf. »Lesen Sie den Brief...«
»Ja, aber inzwischen können Sie etwas trinken...«
Ich ging hinaus und sagte Frida Bescheid. Dann las ich den Brief. Er war von Frau Hasse und bestand aus wenigen Zeilen. Sie teilte ihm mit, daß sie noch etwas von ihrem Leben haben wolle. Deshalb käme sie nicht mehr zurück. Es sei jemand da, der sie besser verstünde als Hasse. Es hätte keinen Zweck, daß er irgend etwas unternähme; sie käme auf keinen Fall zurück.
Das sei ja auch wohl für ihn das beste. Er brauche dann keine Sorgen mehr zu haben, ob sein Gehalt reiche oder nicht. Einen Teil ihrer Sachen habe sie mitgenommen; den Rest würde sie gelegentlich holen lassen.
Es war ein klarer und sachlicher Brief. Ich faltete ihn zusammen und gab ihn Hasse zurück. Er blickte mich an, als ob alles von mir abhinge. »Was soll man da tun?« fragte er.
»Trinken Sie zuerst einmal diese Tasse aus und essen Sie was«, sagte ich. »Es hat keinen Zweck, daß Sie herumlaufen und sich kaputtmachen. Dann wollen wir überlegen. Sie müssen versuchen, ganz ruhig zu werden, dann werden Sie den besten Entschluß fassen.«
Er trank gehorsam die Tasse leer. Seine Hand zitterte, und essen konnte er nichts. »Was soll man tun?« fragte er nochmals.
»Gar nichts«, sagte ich. »Abwarten.«
Er machte eine Bewegung. »Was möchten Sie denn tun?« fragte ich.
»Ich weiß es nicht. Ich kann es nicht begreifen.«
Ich schwieg. Es war schwer, ihm etwas zu sagen. Man konnte ihn nur beruhigen, alles andere mußte er selbst finden. Er liebte die Frau nicht mehr, das war anzunehmen — aber er war an sie gewöhnt, und für einen Buchhalter konnte Gewohnheit mehr sein als Liebe.
Nach einer Weile begann er zu sprechen, verworrenes Zeug, das nur zeigte, wie er hin und her schwankte. Dann fing er an, sich Vorwürfe zu machen. Er sagte kein Wort gegen die Frau. Er versuchte sich nur klarzumachen, daß er die Schuld hätte.
»Hasse«, sagte ich, »was Sie da reden, ist Unsinn. In diesen Dingen gibt es weder Schuld noch Unschuld. Die Frau ist von Ihnen fortgegangen, nicht Sie von ihr. Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen.«
»Doch«, erwiderte er und sah auf seine Hände. »Ich habe es nicht geschafft.«
»Was?«
»Ich habe es nicht geschafft. Das ist eine Schuld, wenn man es nicht schafft.«
Ich blickte verwundert auf die kleine, armselige Gestalt in dem roten Plüschsessel. »Herr Hasse«, sagte ich dann ruhig, »so etwas ist höchstens ein Grund, aber keine Schuld. Außerdem haben Sie es bisher geschafft.«
Er schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein, ich habe die Frau verrückt gemacht mit meiner ewigen Angst vor der Kündigung. Und ich habe es auch nicht geschafft! Was habe ich ihr schon bieten können! Nichts...«
Er versank in stumpfes Brüten. Ich stand auf und holte die Kognakflasche. »Trinken wir etwas«, sagte ich. »Es ist ja noch nichts verloren.«
Er hob den Kopf.
»Es ist noch nichts verloren«, wiederholte ich. »Verloren hat man einen Menschen erst, wenn er tot ist.«
Er nickte hastig und griff nach dem Glase. Aber er stellte es wieder hin, ohne zu trinken. »Gestern bin ich Bürochef geworden«, sagte er leise. »Oberbuchhalter und Bürochef. Der Prokurist hat es mir abends gesagt. Ich bin es geworden, weil ich in den letzten Monaten immer Überstunden gemacht habe. Man hat zwei Büros zusammengelegt. Der andere Bürovorsteher ist entlassen worden. Ich bekomme fünfzig Mark Gehalt mehr.« Er sah mich plötzlich verzweifelt an. »Glauben Sie, daß sie dageblieben wäre, wenn sie es gewußt hätte?«
»Nein«, sagte ich.
»Fünfzig Mark mehr. Ich hätte sie ihr geben können. Sie hätte sich immer etwas kaufen können. Und zwölfhundert Mark habe ich doch auf der Sparkasse! Wozu habe ich das nun gespart? Ich wollte etwas für sie haben, wenn es uns schlecht ginge. Und nun ist sie weggegangen, weil ich dafür gespart habe.«
Er starrte wieder vor sich hin. »Hasse«, sagte ich, »ich glaube, das hat weniger miteinander zu tun, als Sie denken. Sie sollten gar nicht darüber nachgrübeln. Es ist für Sie nur nötig, über die nächsten paar Tage wegzukommen. Dann werden Sie besser wissen, was Sie tun wollen. Vielleicht ist Ihre Frau heute abend oder morgen schon wieder da. Sie denkt doch ebenso darüber nach wie Sie.«
»Sie kommt nicht wieder«, antwortete er.
»Das wissen Sie nicht.«
»Wenn man ihr sagen könnte, daß ich jetzt mehr Gehalt habe und daß wir Urlaub nehmen und von dem Ersparten eine Reise machen wollten...«
»Das werden Sie ihr alles sagen können. Man trennt sich nicht so ohne weiteres.«
Ich war verwundert, daß er überhaupt nicht daran dachte, daß noch ein anderer Mann da war. Aber er war anscheinend noch nicht soweit; er dachte nur daran, daß seine Frau fort war, und alles andere lag noch wie ein undeutlicher Nebel dahinter. Ich hätte ihm gern gesagt, daß er in einigen Wochen vielleicht froh sein würde, daß sie weg war — aber es wäre mir bei seiner Verstörtheit als unnötige Roheit erschienen. Wahrheit ist für ein verletztes Gefühl immer roh und fast unerträglich.
Ich sprach noch eine Zeitlang mit ihm — nur damit er sprechen konnte. Ich erreichte nichts — er drehte sich im Kreise herum, aber ich hatte den Eindruck, daß er etwas ruhiger wurde. Er trank auch einen Kognak. Dann hörte ich Pat nebenan rufen.
»Einen Augenblick!« sagte ich und stand auf.
»Ja«, erwiderte er wie ein gehorsamer Knabe und erhob sich ebenfalls.
»Bleiben Sie nur, ich bin gleich wieder da.«
»Verzeihen Sie...«
»Ich bin sofort zurück«, sagte ich und ging zu Pat hinüber.
Sie saß aufrecht im Bett und sah frisch und wohl aus. »Ich habe wunderbar geschlafen, Robby! Es ist sicher schon Mittag.«
»Du hast genau eine Stunde geschlafen«, sagte ich und hielt ihr die Uhr hin.
Sie sah auf das Zifferblatt. »Um so besser, dann haben wir noch eine Menge Zeit für uns. Ich stehe gleich auf.«
»Schön. Ich komme in zehn Minuten wieder 'rein.«
»Hast du Besuch?«
»Hasse«, sagte ich. »Aber es dauert nicht lange.«
Ich ging zurück, aber Hasse war nicht mehr da. Ich öffnete die Tür zum Korridor, aber der Gang war leer. Ich ging den Korridor hinunter und klopfte an seine Tür. Er antwortete nicht. Ich öffnete die Tür und sah ihn vor dem Schrank stehen. Ein paar Schubfächer waren herausgezogen.
»Hasse«, sagte ich, »nehmen Sie ein Schlafmittel, legen Sie sich zu Bett und überschlafen Sie die Sache erst einmal. Sie sind jetzt überreizt.«
Er wendete sich langsam mir zu. »Immer allein, jeden Abend! Immer wie gestern herumsitzen, denken Sie sich das mal aus...«
Ich sagte ihm, daß sich das ändern würde und daß es viele Leute gäbe, die abends allein wären. Er gab keine rechte Antwort darauf. Ich sagte ihm nochmals, er solle schlafen gehen, vielleicht stelle sich noch alles als harmlos heraus und die Frau sei abends schon wieder zurück. Er nickte und gab mir die Hand.
»Ich komme abends noch mal 'rein«, sagte ich und ging. Ich war froh, wegzukommen.
Pat hatte die Zeitung vor sich liegen. »Wir könnten heute morgen ins Museum gehen, Robby«, schlug sie vor.
»Ins Museum?« fragte ich.
»Ja. Da ist eine Ausstellung von persischen Teppichen. Du warst wohl nicht oft im Museum?«
»Nie!« erwiderte ich. »Was sollte ich da auch?«
»Da hast du recht«, sagte sie und lachte.
»Das macht nichts.« Ich stand auf. »Bei Regenwetter kann man ruhig mal was für seine Bildung tun.«
Wir zogen uns an und gingen. Die Luft draußen war herrlich. Sie roch nach Wald und Feuchtigkeit. Als wir beim International vorbeikamen, sah ich durch die offene Tür Rosa neben der Theke sitzen. Sie hatte ihre Tasse Schokolade vor sich stehen, weil Sonntag war. Auf dem Tisch lag ein kleines Paket. Wahrscheinlich wollte sie nachher wie immer zu ihrem Kinde hinausfahren. Ich war lange nicht im International gewesen, und es erschien mir merkwürdig, daß Rosa gleichmütig wie stets dasaß. Bei mir hatte sich so vieles geändert, daß ich dachte, es müsse auch überall anderswo so sein.
Wir kamen zum Museum. Ich hatte geglaubt, wir würden ziemlich allein sein, aber zu meinem Erstaunen waren sehr viele Leute da. Ich fragte einen Wärter, was los sei.
»Nichts«, erwiderte er, »das ist doch immer so an den Tagen, wo der Eintritt frei ist.«
»Siehst du«, sagte Pat. »Es gibt noch eine Menge Leute, die sich für so etwas interessieren.«
Der Wärter schob seine Mütze zurück. »So ist das nun nicht, meine Dame. Das sind fast alles Arbeitslose. Die kommen nicht wegen der Kunst, sondern weil sie nichts zu tun haben. Und hier haben sie wenigstens was zum Ansehen.«
»Das ist eine Erklärung, die ich besser verstehe«, sagte ich.
»Jetzt ist das noch gar nichts«, erwiderte der Wärter. »Im Winter müssen Sie mal kommen! Da ist alles proppenvoll. Wegen der Heizung.«
Wir gingen in den Saal, wo die Teppiche hingen. Es war ein stiller, etwas abgelegener Raum. Durch die hohen Fenster konnte man in einen Garten sehen, in dem eine riesige Platane stand. Sie war ganz gelb, und auch das Licht im Raum bekam durch sie einen gedämpften gelben Schein.
Die Teppiche waren wundervoll. Es waren zwei Tierteppiche des sechzehnten Jahrhunderts, einige Ispahans und ein paar seidene, lachsfarbene Polenteppiche mit smaragdgrünen Bordüren. Das Alter und die Sonne hatten ihren Tönen eine milde Patina verliehen, so daß sie wie große, märchenhafte Pastelle wirkten. Sie gaben dem Raum eine zeitlose Stimmung und Harmonie, wie sie durch Bilder nie hätte erreicht werden können. Das Fenster mit dem Herbstlaub der Platane und dem perlgrauen Himmel dahinter fügte sich ein, als ob es auch ein alter Teppich wäre.
Wir blieben eine Zeitlang, dann gingen wir zurück in die übrigen Säle des Museums. Es waren inzwischen noch mehr Leute hinzugekommen, und man sah jetzt deutlich, daß sie eigentlich nicht hierhergehörten. Mit blassen Gesichtern und abgetragenen Anzügen wanderten sie, die Hände auf dem Rücken, etwas scheu durch die Räume, mit Augen, die etwas ganz anderes sahen als die Bilder der Renaissance und die stillen Marmorfiguren der Antike. Viele saßen auf den roten, gepolsterten Bänken, die ringsum aufgestellt waren. Sie saßen müde da, in einer Haltung, als wären sie gleich bereit, aufzustehen, wenn jemand käme, um sie fortzuweisen. Man merkte ihnen an, daß gepolsterte Bänke etwas für sie waren, bei dem ihnen nicht ganz begreiflich war, daß es kein Geld kostete, sich darauf auszuruhen. Sie waren gewohnt, daß sie nichts umsonst erhielten.
Es war sehr still in all den Räumen, und man hörte trotz der vielen Besucher kaum ein Wort — aber mir schien trotzdem, als sähe ich einem ungeheuren Kampf zu —, dem lautlosen Kampf von Menschen, die niedergeschlagen waren, aber sich noch nicht ergeben wollten. Sie waren ausgestoßen aus den Bezirken ihrer Arbeit, ihres Strebens, ihrer Berufe — jetzt kamen sie in die stillen Räume der Kunst, um nicht der Erstarrung und der Verzweiflung anheimzufallen. Sie dachten an Brot, immer nur an Brot und Beschäftigung; aber sie kamen hierher, um ihren Gedanken für einige Stunden zu entrinnen — und zwischen den klaren Römerköpfen und der unvergänglichen Anmut weißer, griechischer Frauengestalten wanderten sie umher in dem schleppenden Gang, mit den vorgebeugten Schultern von Menschen, die kein Ziel haben —, ein erschütternder Kontrast, ein trostloses Bild dessen, was die Menschheit in Tausenden von Jahren erreichen und nicht erreichen konnte: den Gipfel ewiger Kunstwerke, aber nicht einmal Brot genug für jeden ihrer Brüder.
Nachmittags gingen wir in ein Kino. Als wir herauskamen, hatte der Himmel sich aufgeklärt. Er war apfelgrün und sehr klar.
In den Straßen und Läden brannte schon Licht. Wir gingen langsam nach Hause und sahen uns dabei die Schaufenster an.
Vor den hellerleuchteten Scheiben eines großen Pelzgeschäftes blieb ich stehen. Es war schon kühl abends, und in den Fenstern waren dicke Bündel Silberfüchse und warme Mäntel für den Winter ausgestellt. Ich sah Pat an; sie trug immer noch ihre kurze Pelzjacke und war eigentlich viel zu leicht angezogen.
»Wenn ich jetzt der Held aus dem Film wäre, würde ich da hineingehen und dir einen Mantel aussuchen«, sagte ich.
Sie lächelte. »Welchen denn?«
»Den da.« Ich zeigte auf den, der am wärmsten aussah.
Sie lachte. »Du hast einen guten Geschmack, Robby. Das ist ein sehr schöner kanadischer Nerz.«
»Möchtest du ihn haben?«
Sie blickte mich an. »Weißt du, was so ein Mantel kostet, Liebling?«
»Nein«, sagte ich, »das will ich auch gar nicht wissen. Ich will lieber denken, ich könnte dir schenken, was ich möchte. Warum sollen nur andere Leute das können?«
Sie sah mich aufmerksam an. »Ich will aber gar keinen solchen Mantel, Robby.«
»Doch«, erwiderte ich, »du bekommst ihn! Kein Wort mehr darüber. Morgen lassen wir ihn abholen.«
Sie lächelte. »Danke, Liebling«, sagte sie und küßte mich mitten auf der Straße. »Und jetzt kommst du dran.« Sie blieb vor einem Herrenmodengeschäft stehen. »Diesen Frack da! Du brauchst ihn zu dem Nerz. Und den Zylinder dort bekommst du auch. Wie magst du wohl im Zylinder aussehen?«
»Wie ein Schornsteinfeger.« Ich schaute mir den Frack an. Er lag in einem Fenster, das mit grauem Samt ausgeschlagen war. Ich blickte noch einmal genauer hin. Es war das Geschäft, in dem ich mir im Frühjahr die Krawatte gekauft hatte, nachdem ich zum erstenmal allein mit Pat zusammengewesen war und mich betrunken hatte. Es würgte mich plötzlich etwas im Hals; ich wußte nicht warum. Im Frühjahr — da hatte ich noch nichts von allem geahnt.
Ich nahm Pats schmale Hand und legte sie eine Sekunde an meine Wange. »Du brauchst noch etwas dazu«, sagte ich dann, »so ein Nerz allein ist wie ein Auto ohne Motor. Zwei oder drei Abendkleider...«
»Abendkleider«, erwiderte sie und blieb vor den großen Schaufenstern stehen, »Abendkleider, das ist wahr — die kann ich schon schwerer abschlagen...«
Wir suchten drei wunderbare Kleider aus. Ich sah, wie diese Spielerei Pat belebte. Sie war ganz bei der Sache, denn Abendkleider waren ihre Schwäche. Wir suchten auch gleich die Sachen aus, die dazugehörten, und sie wurde immer lebhafter. Ihre Augen glänzten. Ich stand neben ihr und hörte ihr zu und lachte und dachte, was für eine verdammte Sache es doch sei, eine Frau zu lieben und arm zu sein. »Komm«, sagte ich schließlich in einer Art verzweifelter Lustigkeit, »wenn man etwas macht, muß man es ganz machen!« Ich zog sie vor ein Juwelengeschäft. »Dort das Smaragdarmband! Dazu die beiden Ringe und die Ohrgehänge! Sprechen wir nicht weiter darüber. Smaragde sind die richtigen Steine für dich.«
»Dann bekommst du aber die Platinuhr da und die Perlen fürs Hemd.«
»Und du den ganzen Laden! Unter dem tue ich es jetzt nicht mehr...«
Sie lachte und lehnte sich tief atmend an mich. »Genug, Liebling, genug! Jetzt kaufen wir uns nur noch ein paar Koffer und gehen zum Reisebüro, und dann packen wir und reisen los, fort aus dieser Stadt und diesem Herbst und diesem Regen.«
Ja, dachte ich, mein Gott, ja, und du würdest dann rasch gesund!
»Wohin denn?« fragte ich. »Nach Ägypten? Oder noch weiter? Nach Indien und China?«
»In die Sonne, Liebling, irgendwohin in die Sonne und den Süden und die Wärme. Zu Palmstraßen und Felsen und weißen Häusern am Meer und Agaven. Aber vielleicht regnet es dort auch. Vielleicht regnet es überall.«
»Dann fahren wir einfach weiter«, sagte ich, »bis es irgendwo nicht mehr regnet. Mitten in die Tropen und die Südsee hinein.«
Wir standen vor den hellen Fenstern des Reisebüros der Hamburg-Amerika-Linie. In der Mitte war das Modell eines Dampfers aufgestellt. Es schwamm auf blauen Pappwellen, und dahinter erhob sich mächtig die vergrößerte Fotografie der Wolkenkratzer Manhattans. An den Fenstern hingen große, bunte Landkarten mit rot eingezeichneten Routen.
»Nach Amerika fahren wir auch«, sagte Pat. »Nach Kentucky und Texas und New York und San Franzisko und Hawaii. Und dann über Südamerika weiter. Über Mexiko und den Panamakanal nach Buenos Aires. Und dann über Rio de Janeiro zurück.«
»Ja...« Sie sah mich strahlend an.
»Ich war noch nicht da«, sagte ich. »Ich habe dir das damals vorgeschwindelt.«
»Das weiß ich«, erwiderte sie.
»Das weißt du?«
»Aber, Robby! Natürlich weiß ich es. Ich wußte es gleich.«
»Ich war damals ziemlich verrückt. Unsicher und dumm und verrückt. Deshalb habe ich geschwindelt.«
»Und heute?«
»Heute noch mehr«, sagte ich. »Du siehst es ja.« Ich zeigte auf den Dampfer im Schaufenster. »Verflucht, daß man nicht mitfahren kann!«
Sie lächelte und legte ihren Arm in meinen. »Ach, Liebling, warum sind wir nicht reich? Wir wüßten so großartig, was wir damit anfangen sollten! Es gibt doch so viele reiche Leute, die nichts Besseres kennen, als immer wieder in ihre Büros oder ihre Banken zu gehen.«
»Deshalb sind sie ja reich«, sagte ich. »Wenn wir es wären, würden wir es bestimmt nicht lange bleiben.«
»Das glaube ich auch. Wir würden es sicher irgendwie verlieren.«
»Vielleicht würden wir auch aus Sorge, es zu verlieren, nichts davon haben. Heute ist Reichsein direkt ein Beruf. Und gar kein so ganz einfacher.«
»Die armen Reichen!« sagte Pat. »Da ist es wahrscheinlich besser, wir bilden uns ein, wir wären es schon gewesen und hätten alles bereits wieder verloren. Du hast einfach vor einer Woche Bankrott gemacht und alles verkaufen müssen — unser Haus und meinen Schmuck und deine Autos. Was meinst du dazu?« »Das ist sogar höchst zeitgemäß«, erwiderte ich.
Sie lachte. »Dann komm! Wir beiden Bankrotteure gehen jetzt in unser kleines Pensionszimmer und erzählen uns Geschichten aus den vergangenen großen Zeiten.«
»Das ist eine gute Idee.« Wir gingen langsam weiter durch die abendlichen Straßen. Immer mehr Lichter flammten auf, und als wir am Friedhof waren, sahen wir durch den grünen Himmel ein Flugzeug ziehen, dessen Kabinen hell erleuchtet waren. Es flog einsam und schön durch den klaren, hohen, einsamen Himmel, wie ein wunderbarer Vogel der Sehnsucht aus einem alten Märchen. Wir blieben stehen und sahen ihm nach, bis es verschwunden war.
Wir waren kaum eine halbe Stunde zu Hause, als es an meine Zimmertür klopfte. Ich dachte, es sei wieder Hasse, und ging, um zu öffnen.
Aber es war Frau Zalewski. Sie sah verstört aus.
»Kommen Sie doch rasch einmal«, flüsterte sie.
»Was ist denn los?«
»Hasse.«
Ich sah sie an. Sie zuckte mit den Achseln. »Er hat sich eingeschlossen und antwortet nicht.«
»Augenblick.«
Ich ging zurück und sagte zu Pat, sie solle sich etwas ausruhen; ich hätte inzwischen etwas mit Hasse zu besprechen.
»Gut, Robby. Ich bin auch schon wieder müde.«
Ich folgte Frau Zalewski über den Korridor. Vor Hasses Tür stand bereits fast die ganze Pension — Erna Bönig im bunten Drachenkimono, mit roten Haaren; vierzehn Tage vorher war sie noch weißblond gewesen — der Briefmarken sammelnde Rechnungsrat in einer Hausjacke von militärischem Schnitt —Orlow, blaß und ruhig, gerade heimgekehrt vom Tanztee —Georgie, nervös klopfend und mit gedämpfter Stimme Hasse anrufend —; und endlich Frida, schielend vor Aufregung, Angst und Neugier.
»Wie lange klopfst du schon, Georgie?« fragte ich.
»Über 'ne Viertelstunde«, platzte Frida sofort hochrot dazwischen, »und zu Hause ist er, er ist überhaupt nicht mehr 'rausgegangen, seit Mittag nicht, nur 'rumgelaufen ist er fortwährend, ewig hin und her, und dann war es ruhig...«
»Der Schlüssel steckt von innen«, sagte Georgie. »Es ist abgeschlossen.«
Ich sah Frau Zalewski an. »Wir müssen den Schlüssel herausstoßen und aufmachen. Haben Sie noch einen zweiten Schlüssel?«
»Ich hol' mal das Schlüsselbund«, erklärte Frida ungewohnt dienstfertig. »Vielleicht paßt einer.«
Ich ließ mir einen Draht geben, schob damit den Schlüssel gerade und stieß ihn aus dem Loch. Er fiel klappernd auf der anderen Seite zu Boden. Frida schrie auf und hielt die Hände vors Gesicht.
»Scheren Sie sich möglichst weit weg«, sagte ich zu ihr und probierte die Schlüssel. Einer davon paßte. Ich schloß auf und öffnete die Tür. Das Zimmer lag im Halbdunkel, und man sah im ersten Augenblick niemand. Die beiden Betten schimmerten grauweiß, die Stühle waren leer, die Schranktüren geschlossen.
»Da steht er!« zischte Frida, die sich wieder herangedrängt hatte, über meine Schultern hinweg. Ihr Zwiebelatem streifte heiß mein Gesicht. »Da hinten am Fenster.«
»Nein«, sagte Orlow, der rasch ein paar Schritte ins Zimmer gemacht hatte und zurückkam. Er stieß mich an, griff nach der Klinke und zog die Tür wieder zu. Dann wandte er sich an die andern. »Es ist besser, Sie gehen. Vielleicht ist es nicht gut, das zu sehen.«
Er sprach langsam, in seinem harten, russischen Deutsch, und blieb vor der Tür stehen.
»O Gott!« stammelte Frau Zalewski und wich zurück. Auch Erna Bönig machte ein paar Schritte rückwärts. Nur Frida versuchte, sich vorbeizudrängen und die Klinke zu fassen. Orlow schob sie weg. »Es ist wirklich besser...«, sagte er noch einmal.
»Herr!« schnauzte der Rechnungsrat plötzlich und richtete sich auf.
»Was erlauben Sie sich! Als Ausländer!«
Orlow sah ihn unbewegt an. »Ausländer —«, sagte er — »Ausländer — ist hier egal. Kommt nicht darauf an...«
»Tot, was?« zischte Frida.
»Frau Zalewski«, sagte ich, »ich glaube auch, es ist besser, nur Sie bleiben hier und vielleicht Orlow und ich.«
»Telefonieren Sie sofort einem Arzt«, sagte Orlow.
Georgie hob bereits den Hörer ab. Das Ganze hatte keine fünf Sekunden gedauert. »Ich bleibe!« erklärte der Rechnungsrat puterrot. »Als deutscher Mann habe ich das Recht...«
Orlow zuckte die Achseln und öffnete wieder die Tür. Dann knipste er das elektrische Licht an. Mit einem Schrei fuhren die Frauen zurück. Mit blauschwarzem Gesicht, die schwarze Zunge zwischen den Zähnen, hing Hasse am Fenster.
»Abschneiden«, rief ich.
»Keinen Zweck«, sagte Orlow langsam, hart und traurig.
»Ich kenne das — dieses Gesicht — tot, schon paar Stunden...«
»Wir wollen es wenigstens versuchen...«
»Besser nein — Polizei erst kommen lassen.«
Im gleichen Augenblick klingelte es. Der Arzt, der nebenan wohnte, war da. Er warf nur einen Blick auf den schmalen, geknickten Körper. »Nichts mehr zu machen«, sagte er. »Wir müssen aber trotzdem künstliche Atmung versuchen. Rufen Sie die Polizei sofort an, und geben Sie mir ein Messer.«
Hasse hatte sich mit einer dicken, rosaseidenen Kordelschnur erhängt. Sie stammte von einem Morgenrock seiner Frau, und er hatte sie sehr geschickt oben an einem Haken über dem Fenster festgemacht. Sie war mit Seife eingerieben. Er mußte auf der Fensterbank gestanden haben, und dann hatte er sich von dort wahrscheinlich herabgleiten lassen. Seine Hände waren verkrampft, und sein Gesicht sah furchtbar aus. Es war sonderbar in diesem Augenblick, aber mir fiel auf, daß er einen anderen Anzug trug als morgens. Es war sein bester, ein blauer Kammgarnanzug, den ich kannte. Er war auch rasiert und hatte frische Wäsche an. Auf dem Tisch lagen nebeneinander, pedantisch ordentlich, sein Paß, sein Sparkassenbuch, vier Zehnmarkscheine und etwas Silbergeld. Daneben zwei Briefe, einer an seine Frau und einer an die Polizei. Neben dem Brief an seine Frau lag noch ein silbernes Zigarettenetui und sein Trauring.
Er mußte es lange überlegt und alles vorher in Ordnung gebracht haben; denn das Zimmer war vollkommen aufgeräumt, und als wir genauer nachsahen, fanden wir auf der Kommode noch etwas Geld und einen Zettel, auf dem stand: Rest der Miete für diesen Monat. Er hatte es extra gelegt, so als ob er zeigen wollte, daß es mit seinem Tode nichts zu tun hätte.
Es klingelte, und zwei Beamte in Zivil kamen. Der Arzt, der den Körper inzwischen abgeschnitten hatte, stand auf. »Tot«, sagte er, »Selbstmord, ohne allen Zweifel.«
Die Beamten erwiderten nichts. Sie sahen aufmerksam das ganze Zimmer durch, nachdem sie die Tür geschlossen hatten. Sie holten ein paar Briefe aus einem Schrankschubfach und verglichen die Schrift mit den Briefen auf dem Tisch. Der jüngere von beiden nickte. »Weiß jemand den Grund?«
Ich erzählte, was ich wußte. Er nickte wieder und schrieb meine Adresse auf. »Können wir ihn wegbringen lassen?« fragte der Arzt.
»Ich habe ein Krankenauto bestellt bei der Charité«, erwiderte der jüngere Beamte. »Es muß gleich kommen.«
Wir warteten. Es war still im Zimmer. Der Arzt kniete auf dem Boden neben Hasse. Er hatte ihm alle Kleider geöffnet und frottierte abwechselnd die Brust mit einem Handtuch und machte Wiederbelebungsversuche. Man hörte nur das Pfeifen und Röcheln der Luft, die in die toten Lungen aus¬und einströmte.
»Der zwölfte in dieser Woche«, sagte der jüngere Beamte.
»Aus dem gleichen Grund?« fragte ich.
»Nein. Fast alle wegen Arbeitslosigkeit. Zwei Familien, eine mit drei Kindern. Mit Gas natürlich. Familien nehmen fast immer Gas.«
Die Träger kamen mit ihrer Bahre. Frida huschte mit ihnen hinein. In einer Art Gier starrte sie Hasses kläglichen Körper an. Sie hatte rote Flecken im Gesicht und schwitzte. »Was wollen Sie hier?« fragte der ältere Beamte grob.
Sie fuhr zurück. »Ich muß doch meine Aussage machen«, stotterte sie.
»'raus!« sagte der Beamte.
Die Träger legten eine Decke über Hasse und brachten ihn hinaus. Dann gingen auch die beiden Beamten. Sie nahmen die Papiere mit. »Er hat das Geld für das Begräbnis deponiert«, sagte der jüngere. »Wir werden es der zuständigen Stelle übergeben. Wenn die Frau kommt, sagen Sie ihr bitte, sie möge sich bei der Kriminalpolizei des Reviers melden. Er hat ihr sein Geld vermacht. Können die übrigen Sachen einstweilen hier bleiben?«
Frau Zalewski nickte. »Das Zimmer ist doch nicht mehr zu vermieten.«
»Schön.«
Der Beamte grüßte und ging. Wir gingen ebenfalls hinaus. Orlow schloß die Tür ab und gab Frau Zalewski den Schlüssel. »Am besten ist, es wird möglichst wenig über die ganze Sache geredet«, sagte ich.
»Das meine ich auch«, sagte Frau Zalewski.
»Ich denke vor allem an Sie, Frida«, fügte ich hinzu.
Frida wachte aus einer Art von Geistesabwesenheit auf. Ihre Augen glänzten. Sie antwortete nicht.
»Sollten Sie ein Wort zu Fräulein Hollmann erzählen«, sagte ich, »dann gnade Ihnen Gott!«
»Das weiß ich selbst«, erwiderte sie patzig. »Die arme Dame ist viel zu krank dazu!«
Ihre Augen funkelten. Ich mußte mich beherrschen, ihr keine Ohrfeige herunterzuhauen.
»Der arme Hasse!« sagte Frau Zalewski.
Es war ganz dunkel auf dem Korridor. »Sie waren ziemlich grob gegen den Grafen Orlow«, sagte ich zu dem Rechnungsrat.
»Wollen Sie ihm nicht ein paar Worte der Entschuldigung sagen?«
Der Alte starrte mich an. Dann stieß er hervor: »Ein deutscher Mann entschuldigt sich nicht! Schon gar nicht bei einem Asiaten!« und warf die Tür krachend hinter sich zu.
»Was ist denn mit dem Briefmarkenhengst los?« fragte ich erstaunt.
»Der war doch immer sanft wie ein Lamm.«
»Er läuft seit ein paar Monaten in jede Wahlversammlung«, erwiderte Georgie aus dem Dunkel.
»Ach so!«
Orlow und Erna Bönig waren schon gegangen. Frau Zalewski begann plötzlich zu weinen. »Nehmen Sie es sich nicht zu sehr zu Herzen«, sagte ich. »Es ist ja doch nichts dran zu ändern.«
»Es ist zu schrecklich«, schluchzte sie. »Ich muß ausziehen, ich komme nicht darüber weg!«
»Sie werden schon darüber wegkommen«, sagte ich. »Ich habe einmal ein paar hundert Leute so gesehen. Gasvergiftete Engländer. Bin auch drüber weggekommen.«
Ich gab Georgie die Hand und ging in mein Zimmer. Es war dunkel. Unwillkürlich sah ich zum Fenster, ehe ich Licht machte. Dann horchte ich zu Pat hinüber. Sie schlief. Ich ging zum Schrank, holte die Flasche Kognak und schenkte mir ein Glas ein. Es war guter Kognak, und es war gut, ihn zu haben. Ich stellte die Flasche auf den Tisch. Das letzte Glas daraus hatte Hasse getrunken. Ich dachte darüber nach, daß es besser gewesen wäre, ihn nicht allein zu lassen. Ich war bedrückt, aber ich konnte mir keinen Vorwurf machen. Ich hatte so vieles mitgemacht, daß ich wußte, daß entweder alles, was man tat, ein Vorwurf war, oder daß es nie einen gab. Es war das Unglück Hasses gewesen, daß ihm das an einem Sonntag passiert war. An einem Wochentag wäre er ins Büro gegangen und vielleicht darüber hinweggekommen.
Ich trank noch einen Kognak. Es hatte keinen Zweck, darüber nachzudenken. Wer weiß, was einem selber noch alles bevorstand. Kein Mensch wußte, ob er den, den er jetzt bedauerte, nicht noch einmal für glücklich halten würde.
Ich hörte, wie Pat sich regte, und ging hinüber. Sie sah mir entgegen.
»Es ist doch zum Verzweifeln mit mir, Robby«, sagte sie. »Da habe ich schon wieder fest geschlafen.«
»Das ist doch gut«, erwiderte ich.
»Nein.« Sie stützte sich auf die Ellbogen. »Ich will nicht so viel schlafen.«
»Warum nicht? Ich möchte manchmal in einem durch die nächsten fünfzig Jahre verschlafen.«
»Aber du möchtest dann nicht fünfzig Jahre älter sein!«
»Das weiß ich nicht. Das kann man immer erst nachher sagen.«
»Bist du traurig?« fragte sie.
»Nein«, sagte ich. »Im Gegenteil. Ich habe gerade beschlossen, daß wir uns anziehen und ganz wunderbar essen gehen werden. Alle Dinge, die du gern magst Und dazu werden wir uns ein bißchen betrinken.«
»Das ist gut«, erwiderte sie. »Gehört das noch mit zu unserm großen Bankrott?«
»Ja«, sagte ich, »das gehört noch mit dazu.«